Dossier
Die Bundestagswahl 2017 hat – leider erwartungsgemäß – nicht nur die AfD mit 12,6 % in den Bundestag gespült, vielmehr dies auch mit überdurchschnittlich 15 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Befragten (siehe unser Dossier dazu: Zuckerbrot und Peitsche: AfD-Verein will Beschäftigte und Rentner mit sozial gefärbter Marktrhetorik ködern). Erwartungsgemäß ist diese Entwicklung, weil rechtsextreme Einstellungen unter Lohnabhängigen und insbesondere Gewerkschaftsmitgliedern keine Neuigkeit darstellen – siehe Studien hierzu seit 1999 im LabourNet-Archiv in unserer Rubrik “Gewerkschaften und die neuen alten Rechten”. Fast ebenso alt sind unterschiedliche Ansätze gewerkschaftlicher Antirassismusarbeit (DGB-Kommission Rechtsextremismus, Projektgruppen, Kampagnen »gelbe Hand« und »Respekt!« der IG Metall, Konferenz gegen Rassismus und Rechtspopulismus von ver.di etc…) Eine Abkehr von der wettbewerbsorientierten, standortkorporatistischen Betriebs- und Wirtschaftspolitik der Gewerkschaften wurde allerdings nie ins Auge gefasst. Aber bleibt man auf seine Klientel beschränkt und auf die Nation fixiert, müssen die Ziele zwangs läufig ›wir zuerst‹ lauten… Und: Im Gegensatz zu gelben Gewerkschaften, wurde eine Neugründung von rechts ebenso wenig in den Blick genommen, wie der Betrieb als Austragungsort rechter Tendenzen (auch im LabourNet Germany gibt es dazu nur einige wenige Beiträge, wie z.B. unser Dossier „Zentrum Automobil e.V.“ – eine neofaschistische Betriebsgruppe bei Daimler Stuttgart), wozu es höchstens Anleitungen für die Pausengespräche (samt Argumentations- und Haltungstraining für Betriebs- und Personalräte) gibt. Dies wird und muss sich spätestens seit der „COMPACT-Oppositionskonferenz” am 25.11.2017 in Leipzig ändern, bei der die Gründung einer „patriotischen Gewerkschaft“ sowie eine AfD-Kampagne für eigene Kandidaten/Listen zur Betriebsratswahl 2018 ausgerufen wurden. In diesem Dossier widmen wir uns dieser innerbetrieblichen Offensive anhand vorliegender Informationen zu der geplanten Betriebsrats-Kampagne, den rechten Gewerkschaftsorganisationen sowie ersten Überlegungen zum Umgang damit:
1. Die Betriebsrats-Kampagne “Patrioten schützen Arbeitsplätze!”
- Patrioten schützen Arbeitsplätze!
“Das Establishment hat seine Gesinnungswächter auch am Fließband, im Büro und in der Werkstatt untergebracht: Am Arbeitsplatz wachen linke Betriebsräte und Gedankenpolizisten über jedes kritische Wort. Es wird dokumentiert, befragt und schlussendlich auch gerne fristlos gekündigt. Damit ist jetzt Schluss: Um diese Willkür zu beenden, werden wir eigene Kandidaten und Vertrauensleute in den Betrieben wählen. So gewinnen wir unsere Selbstbestimmung zurück und entmachten zeitgleich das Kartell der Gesinnungswächter. Es gilt, Betriebsrat zu werden! Vom 01. März 2018 bis zum 31. Mai 2018 finden bundesweit Betriebsratswahlen statt. Jeder, der seit mindestens sechs Monaten im Betrieb arbeitet, kann kandidieren und so seinen Kollegen den Rücken stärken. Dieses Zeitfenster ist entscheidend!” Der Aufruf auf der Aktionsseite von Ein Prozent e.V.: werdebetriebsrat.de
- Am Arbeitsplatz: Patrioten schützen Patrioten. Werde Betriebsrat!
“Jeder von uns hat mittlerweile einen Freund oder Bekannten, der seine Arbeitsstelle aus politischen Gründen verlor. Es trifft immer die kleinen Leute, deren Existenz vernichtet wird, weil sie vielleicht jeden Montag zu PEGIDA gehen, offen die Alternative für Deutschland (AfD) unterstützen oder einfach nur mit dem Kollegen in der Pause über politische Probleme reden. (…) Die selbsternannten Eliten haben ihre Gesinnungswächter auch am Fließband, im Büro und in der Werkstatt untergebracht. Diese schlimmen Zustände werden wir angehen! Was wäre, wenn wir wieder eine echte Solidarität unter den Kollegen erzeugen könnten und es eine Arbeitnehmervertretung gäbe, die dieses schändliche Spiel nicht mitmacht? Die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits getan, wie einige erste Erfolge und Veranstaltungen gezeigt haben. Doch das ist alles nur ein Anfang. Durch die Arbeit unzähliger Patrioten und Gruppierungen verändert sich unsere Gesellschaft derzeit zum Besseren. Die alten Eliten verlieren langsam ihre Deutungshoheit. Nun muss auch die politische Beeinflussung der Wirtschaft und der Unternehmen angegangen und beendet werden…” Beitrag vom 03. November 2017 bei “Ein Prozent” ![externer Link externer Link]()
- Compact-Konferenz in Leipzig – Rechtspopulisten wollen in die Betriebe
“Am vergangenen Samstag fand in Leipzig die jährliche Konferenz des Compact Magazins statt – Sprachrohr der neuen Rechten und AfD-nah. Zu Gast waren u.a. Pegida Gründer Lutz Bachmann, Björn Höcke und Martin Sellner, einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung. Vor dem Saal gab es Proteste – drinnen ging es u.a. um die Frage, ob es “Gewerkschaften von rechts” braucht. (…) Tatsächlich sei die AfD in eine Lücke gestoßen, sagt der Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena. Die linken Parteien hätten die Arbeiter sträflich vernachlässigt, “bei den Parlamentariern, bei den Funktionären, aber auch zunehmend innerhalb der Wählerschaft spielen Arbeiter überhaupt keine Rolle.” Das führe auch dazu, dass deren Probleme völlig unbekannt sind, dass man deren Sprache nicht mehr spricht, sagt der Wissenschaftler. Bei “Compact” startet die Höcke-nahe Rechte eine Kampagne Zu den bundesweiten Betriebsratswahlen im März will man so genannte patriotische Kandidaten unterstützen…” Beitrag vom 29.11.2017 bei MDR investigativ
, siehe dazu:
- In Leipzig fand am 25.11.2017 die „COMPACT-Oppositionskonferenz”
mit u.a. Björn Höcke und Jürgen Elsässer statt. Ein dreiviertel-stündiger Punkt dort war: „Den Widerstand in die Betriebe tragen. Referent: Oliver Hilburger, oppositioneller Betriebsrat bei Daimler-Benz”. Siehe den Auftritt von Oliver Hilburger (BR bei Daimler Stuttgart) v.a. von 33. bis 56. Minute im Video der Veranstaltung bei COMPACT
. Einige Zitatte daraus: „linke Deutungshoheit in den Betrieben“: „Die Antifa ist bis in die höchsten Ebenen der Gewerkschaften aufgestiegen.“ Das ist gefährlich! Damit muss Schluss sein!”, “EinProzent hat die Kampagne “Werde Betriebsrat” angestossen, wir werden es im Hintergrund unterstützen”. Hilburger holt nach der Rede auf die Bühne 3 Mitkämpfer von BMW Leipzig, einen BR bei Opel (wo?) und jemand von AMG.
Elsässer zihet das Fazit: “Neue Front für unseren Kampf eröffnet”, “Alle Räder stehen still, wenn der blaue Arm es will” und es wird aufgerufen, auf der nächsten Demo gegen den Arbeitsplatzabbau bei Siemens in Görlitz (“blaues Kernland”) sollen “alle blauen” die nächste IGM-Demo übernehmen…
2. Rechte Gewerkschaftsorganisationen
- Zentrum Automobil e.V.: Aus der Selbstdarstellung von »Zentrum Automobil e.V.«
: An unserer Seite: erfahrene Profis!
“… Die linken Gewerkschaften werden sich die Macht nicht einfach nehmen lassen: Seit Jahren sitzen ihre Betriebsrats-Fürsten mit satten Gehältern in den Chefetagen und intrigieren um die Macht. Doch es gibt eine Alternative: Bereits seit 2011 kümmert sich die oppositionelle Arbeitnehmervertretung »Zentrum Automobil e.V.« um die Interessen der Stuttgarter Daimler-Belegschaft im Werk Untertürkheim. Die erfahrenen Betriebsräte um den Vorsitzenden Oliver Hilburger wissen genau, worauf es ankommt: Bei der Betriebsratswahl 2014 konnte die oppositionelle Gewerkschaft rund 10 % der Stimmen (1.400 Wähler) auf sich vereinen und vier Mandate erreichen. Weitere Betriebsräte in Leipzig, Rastatt und Stuttgart haben sich der Gewerkschaft nun angeschlossen. Mit dieser Opposition müssen die Bosse täglich rechnen! In einer einzigartigen Kooperation arbeiten jetzt die Betriebsräte von »Zentrum Automobil« mit »Ein Prozent« zusammen, um unsere Arbeitsplätze zu sichern…” Siehe dazu unser Dossier „Zentrum Automobil e.V.“ – eine neofaschistische Betriebsgruppe bei Daimler Stuttgart
- Selbstdarstellung von „EinProzent”: „Die Bürgerinitiative „Ein Prozent“ versteht sich als professionelle Widerstandsplattform für deutsche Interessen.“ Ihre Auffassung zu Gewerkschaften: „Gewerkschaften in Deutschland vertreten im Regelfall nicht mehr den Arbeiter, sondern die Aktionäre. Sie selbst verdienen horrende Summen und nennen sich „sozial“. Statt sich für die Interessen der kleinen Leute einzusetzen, streben ihre Funktionäre nach politischer Macht und machen gemeinsame Sache mit dem Establishment.“ Einen Eindruck von der nationalistischen Einstellung und Stoßrichtung von „EinProzent” gibt ihre Homepage samt Blog
- Siehe für Abgrenzung zu DGB-Gewerkschaften und vermeintlich “oppositionellen” Forderungen: “Linke Gewerkschaften – von den Konzernen gekauft”
“Gewerkschaften in Deutschland vertreten im Regelfall nicht mehr den Arbeiter, sondern die Aktionäre. Sie selbst verdienen horrende Summen und nennen sich „sozial“. Statt sich für die Interessen der kleinen Leute einzusetzen, streben ihre Funktionäre nach politischer Macht und machen gemeinsame Sache mit dem Establishment. (…) Früher waren Gewerkschaften unabhängig, oppositionell und frech – heute sind sie vom System des Parteienkartells abhängig, angepasst und träge. Große Gewerkschaften wie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.Di), die umstrittene Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) oder der Dachverband namens Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) stecken mit den etablierten Parteien unter einer Decke. Statt dem Wohl der Arbeiter in den Betrieben zu dienen, haben die Gewerkschaften ihre Prinzipien für Macht und Geld verraten. Fakt ist, dass ohne die Interessengemeinschaft von Gewerkschaften und Parteien die großen sozialen Verwerfungen der vergangenen zwanzig Jahre nicht geschehen wären. (…) Während sich Gewerkschaftsführer wie Bsirske utopische Managergehälter genehmigen, müssen viele Angestellte mit „Tagelöhnerei“ über die Runden kommen: Unternehmen beschäftigen mit Leiharbeitern keine Menschen mehr, sondern nur noch austauschbare Billiglöhner – gesichtslos und ohne Biographie, ohne Krankheit oder Urlaub, jederzeit ersetzbar. Das alles geschieht mit schweigender Zustimmung der Gewerkschaften! Zwar ist Leiharbeit in den letzten Jahren zunehmend reglementiert worden, doch die Gewerkschaften hebeln mit sogenannten Öffnungsklauseln und juristischen Hintertürchen zugunsten der Eliten jedweden Arbeiterschutz aus: Politik und Arbeitgeberverbände forderten eine maximale Leiharbeitszeit von 18 Monaten, die Gewerkschaften hingegen nur 12 Monate, geeinigt hat man sich dann auf volle 48 Monate! Sieht so der etwa Kampf für die Interessen der Angestellten aus?…” Beitrag vom 16. November 2017 im Blog von „EinProzent” ![externer Link externer Link]()
- EinProzent und die rechte Scheingewerkschaft
“Im Rahmen der Compact-Konferenz, die am 25. November 2017 im Raum Leipzig stattfinden soll [1], soll nach Ankündigung des rechten Geldakquiseprojekts „EinProzent für unser Land“ [2] eine „patriotische Gewerkschaft“ gegründet werden. Vordergründiges Ziel dieser Scheingewerkschaft ist der „Schutz von Patrioten“, so heißt es im „EinProzent“-Newsletter vom 13. November 2017. (…) „Zentrum Automobil e.V.“ dient „EinProzent“ als Vorbild für die Gründung eines rechten Gewerkschaftsdachverbandes. Das rechte Geldakquiseprojekt stellt zunächst klar den politischen Charakter in den Vordergrund. Rechte sollen vor Kündigungen auf Grund von menschenverachtenden Aussagen geschützt werden. (…) „EinProzent“ dient sich hiermit klar Arbeitgeber_innen an, in dem sie suggerieren ein Gegengewicht zu den bereits bestehenden Gewerkschaften bilden zu können und versprechen sich für die Belange der Arbeitgeber_innen einzusetzen. Kurzfristiges Ziel dieser Doppelstrategie dürfte es sein, möglichst viele Spenden zu generieren. Das mittel- und langfristige Ziel wird jedoch auch deutlich: Gemeinsam mit frustrierten Arbeitgeber_innen halbwegs schlagkräftige Gewerkschaften (allen voran die DGB-Gewerkschaften, insbesondere ver.di) deutlich zu schwächen und durch einfacher zu lenkende Organisationen zu ersetzen. Die bereits existente rechte Scheingewerkschaft (an dieser Stelle sollte der Grund für diese Begriffsverwendung deutlich geworden sein) „Zentrum Automobil e.V.“ gibt dabei die Stoßrichtung vor: Unter dem Deckmantel der effektivieren Vertretung der Arbeitnehmer_innenrechte sollen die bestehenden Gewerkschaften von zwei Richtungen unter Druck gesetzt werden: Von enttäuschten (Alt-)Mitgliedern und den Arbeitgeber_innen...” Beitrag vom 14. November 2017 bei Pure Coincidence
- “Wir rocken Deutschland in den Betrieben”: AidA | Arbeitnehmer in der AfD – “Das neue Rot der Arbeitnehmer ist blau” – http://aidabund.de/
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- „Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer e.V.“ (AVA e.V.) – http://www.ava-bund.de/
– wurde am 19. Februar 2015 mit Unterstützung des AfD-Landesverbandes NRW gegründet. Die AVA e. V. sieht ihre Aufgabe darin, die Arbeitnehmer als größte gesellschaftspolitische Bevölkerungsgruppe, zur aktiven Mitarbeit in der AfD zu gewinnen und an der Gestaltung einer modernen Arbeits- und Sozialpolitik mitzuwirken
- Gewerkschaft von Rechts?
“… Seitdem die „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) nach Ende des 2. Weltkrieges als faschistische Organisation verboten wurde, gab es in Deutschland keine rechte Gewerkschaft mehr – bis jetzt. Denn mit dem „Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschlands“ (ALARM) gründete die #AfD am 1. Mai 2017 erstmals seit 1945 wieder eine völkische Gewerkschaft in Deutschland. Und genau wie ihr Vorbild versucht auch „ALARM“ soziale Kämpfe zu negieren indem stattdessen eine „Volksgemeinschaft“ konstruiert wird, die deutsche Arbeitnehmer und Arbeitgeber im „dankbaren Dienst am Vaterland“ vereinigen soll. Für die Arbeiter hat „ALARM“ also einen Leistungsethos und Nationalstolz zu bieten, anstatt Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen. (…) „Alarm!“ ist kein ernst gemeinter Schritt, um die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern. Es ist ein Versuch, die Wut über die tatsächlich bestehenden sozialen Probleme zu kanalisieren und als Unterstützung für die AfD an die Wahlurnen zu lenken. Real bestehende Missstände in den DGB-Gewerkschaften werden dabei ausgenutzt um Kritik an diesen zu üben, die präsentierten „Alternativen“ beschränken sich jedoch auf völkische Folklore und fordern „Opferbereitschaft“ von den deutschen Arbeitern. Verbesserungen am Arbeitsplatz können nur von unabhängigen und kämpferischen Gewerkschaften erstritten werden, die im Klassenkampf eindeutig auf der Seite Lohnabhängigen steht.” Beitrag von FloWo vom 27. Juli 2017 bei Diaspora
- DGB in Sorge: AfD auf Stimmenfang im Betrieb
“… Bei den Landtagswahlen im Saarland hatten gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen überdurchschnittlich die Rechtsaußen-Partei AfD gewählt. Das ist kein Ausnahmebefund. Die Gewerkschaften sehen derweil mit wachsender Sorge, wie die AfD unter Beschäftigten Fuß zu fassen sucht – unter anderem mit Gruppen wie den »Arbeitnehmern in der AfD« oder der »Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer«. Man betrachte »die sogenannten Arbeitnehmergruppen innerhalb der AfD mit außerordentlich großer Skepsis und Distanz«, wird jetzt der Leiter der Ver.di-Grundsatzabteilung, Christoph Schmitz, von der »Rheinischen Post« zitiert. Schmitz verweist auf den im Kern nicht nur nationalistischen, sondern auch neoliberalen Kurs der AfD. »Aussagen von Frauke Petry zur Anhebung des Rentenalters und zur weiteren Kürzung der Renten oder von Jörg Meuthen zur Abschaffung der gesetzlichen Rente und zur Privatisierung der Alterssicherung stehen in völligem Gegensatz zu sozialpolitischen Forderungen der Gewerkschaften«, so Schmitz…” Beitrag bei neues Deutschland vom 4. April 2017
Überlegungen zum Umgang damit
a) “… Die DGB-Gewerkschaftsführungen können sich nicht – Sozial-und Nationalpartner von Kapital und Staat, die sie sind – wirksam und grundsätzlich mit den organisierten Ausbreitungsversuchen von Rechtsextremen in die Betriebe auseinander setzen. Sie haben nämlich viele grundlegende Gemeinsamkeiten mit ihnen. Für sie sind die Rechtsextremen in erster Linie Konkurrenten, die ihnen Mitglieder wegnehmen und die den Betriebsfrieden stören, den zu bewahren sie gegenüber den Kapitalisten übernommen haben. Ihr Hauptargument ist: Ihr seid keine wahren Demokraten wie wir...”
Hinsichtlich der grundlegenden Gemeinsamkeiten sind wir natürlich einer Meinung. Der innere Zusammenhang zwischen Sozialpartnerschaft und Volksgemeinschaft wird sicherlich – auch an dieser Stelle – noch genauer herausgearbeitet werden müssen. Einige Hinweise darauf gibt es bereits in einigen der Beiträge in unserem Dossier Zuckerbrot und Peitsche: AfD-Verein will Beschäftigte und Rentner mit sozial gefärbter Marktrhetorik ködern
Die angeblichen massenhaften Entlassungen rechter Beschäftigter stellen das Hauptargument für die Kampagne zu den kommenden Betriebsratswahlen. In der Tat gibt es hier eine Koalition zwischen den DGB-Gewerkschaften und den Arbeitgebern, wobei diese zugegebenermassen ihre Ablehnung ausländerfeindlicher Äußerungen im Betrieb viel lauter bekundet haben, der Globalisierung ihrer Interessen geschuldet… Allerdings gibt es auch das Interview mit IG-Metall-Chef Jörg Hofmann: “Wer hetzt, der fliegt”. Jörg Hofmann im Gespräch mit Theo Geers vom 24.10.2015 beim Deutschlandfunk
: “… [Geers] Nun haben zum Beispiel manche Arbeitgeber Mitarbeiter, die sich offen rassistisch oder menschenfeindlich geäußert haben, zum Beispiel im Internet über Twitter oder über Facebook, die haben teilweise diese Leute gefeuert, weil das eben nicht zu den Werten ihres Unternehmens passte, zu den Werten, zu denen dieses Unternehmen steht. Sollte das aus Sicht eines Gewerkschafters mehr und öfter passieren oder haben Sie bei solchen drakonischen Maßnahmen Bauchschmerzen? Hofmann: Es gibt null Toleranz gegen Rassismus. Wenn man in einem Betrieb zusammenarbeitet – und bei uns arbeiten oft Dutzende von Nationalitäten –, dann kann man nicht dulden, dass man mit rassistischen Pöbeleien, mit Fremdenfeindlichkeit einen Spalt zwischen den Belegschaften, den Kolleginnen und Kollegen zieht. Da sind wir sehr klar ganz entschieden.
Geers: Das heißt verkürzt gesagt: Wer hetzt, fliegt?
Hofmann: Wer hetzt, fliegt! Und das muss auch jedem klar sein…”
Allerdings sind uns gar nicht so viele diesbezügliche Abmahnungen und Kündigungen bekannt (lassen uns aber gerne belehren!), zumal der Anführer der Kampagne seit ewig unbehelligt bei Daimler in Stuttgart wirken kann…
b) “… Die Ursache für das Eindringen der Rechtsextremen in die Betriebe liegt in der Unterordnung der Belegschaftsinteressen unter die der Geschäftsführung durch die Gewerkschaftsführungen und die Co-Manager. Widerständige KollegInnen, die in Richtung Klassenkampf gehen, finden in den Betrieben keinen Ort zum Andocken. Falls sie zu aktiv werden, werden sie sogar von der Sozialpartnerschaftsfront bekämpft…”
Es scheint eine unbewiesene These, ob die Rechtsextremen in den Betrieben tatsächlich mehr Klassenkampf wünschen. Bei widerständigen KollegInnen, die in Richtung Klassenkampf gehen und “sogar” von der Sozialpartnerschaftsfront bekämpft werden, waren und sind uns nur linke Oppositionelle bekannt!
c) “… Es gibt keine kämpferische Kraft in den Betrieben, an dem sich ein noch dumpfer Antikapitalismus, der sich in Wut, Ohnmacht und Leiden ausdrückt, orientieren könnte. Die Arbeiter spüren, daß diese Gewerkschaften ihre Interessen nur begrenzt oder gar nicht vertreten und suchen als Perspektive nach einer starken Kraft, einem „starken Mann“ (siehe Trump in den USA). Den Linken kommt es zu, diese starke Kraft in den Betrieben und in den Gewerkschaften zu organisieren, an der sich Kritiker und Unzufriedene orientieren können. So war es ja schon mal, als nach 1968 viele KollegInnen, besonders junge, in die kommunistischen Betriebsgruppen strömten. Damals kriegte die NPD, obwohl in vielen Landesparlamenten vertreten, in den Betrieben keinen Stich…”
Es kling oberflächlich richtig, auch wenn die Stimmungslage von 1968 nicht mit der heutigen zu vergleichen ist. Es wird aber gefährlich, wenn es dabei bleibt, wenn sich Linke “Kritikern und Unzufriedenen” als “starke Kraft” anbieten. Noch gefährlicher wird es, wenn sie die Sehnsucht nach einem „starken Mann“ zu erfüllen versuchen, anstatt emanzipatorische und solidarische Selbstbestimmung vorzuleben sowie authoritäre/rassistische Tendenzen striktens abzulehnen.
d) “… Aber die Liste „Zentrum Automobil„ bei Daimler in Stuttgart, die bei den letzten BR-Wahlen 10 Prozent erhalten hatte und schon seit acht Jahren im Werk vertreten ist, wurde in der linken Öffentlichkeit kaum beachtet und erst recht nicht analysiert. Weil man sich dann schärfer mit sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführungen und -Apparaten hätte auseinandersetzen müssen? Aber man doch lieber in Harmonie und Unschärfe zum Gewerkschaftsapparat geduldet werden wollte?...”
Hier wird (auch wenn schärfere Kritik nicht geschadet hätte) unterstellt, allein mit größerer Abgrenzung der linken Gruppierungen von den DGB-Mehrheiten im Betriebsrat hätte der Zulauf zu rechtsextremistischen Positionen verhindert werden können. Doch mag uns die Opposition zum sozialpartnerschaftlichen Kurs der DGB-Gewerkschaften einen, darf nicht vergessen und unterschlagen werden, daß dies – punktuell – die einzige Gemeinsamkeit darstellt! Wer sich bereits an der Politik des DGB, der IG Metall etc stört, wird nicht mit uns gegen Rassismus und für Internationalismus kämpfen! Dieser absolute inhaltliche Widerspruch/Gegensatz ist auch im Text gut dargestellt: “… In ihrer Kampagne bezeichnen sich die Rechtsextremen als Patrioten für Deutschland. Als Nationalisten stehen sie damit auf dem gleichen Boden wie das Kapital und die DGB-Gewerkschaftsführungen. Wir – als Internationalisten – sind die Gegner der Patrioten/Nationalisten. Die Patrioten beziehen sich nur auf die Beschäftigten in Deutschland. Wir als Internationalisten sind solidarisch mit den Ausgebeuteten in aller Welt, egal, welcher Ethnie oder Religion sie angehören! (…) Was ist „rechts“, was ist „links“? Rechts in den Gewerkschaften sind die sozialpartnerschaftlichen Vorstände und die Co-Manager in den Betrieben, links ist eine radikale Minderheit, links ist der Ursprung der Gewerkschaften, die Organisierung gegen die Kapitalisten und links ist der Gedanke der internationalen Solidarität. Sebastian Friedrich weist in seinem Aufsatz darauf hin (link s.u.), daß der Kern des Gemeinsamen bei den Rechtsextremen die Ungleichheit ist und sich der Stärkere im Kampf gegen den Schwächeren durchsetzt. Unser Kern ist: Hilfe für die Schwächeren und internationale Solidarität...”
e) “… Wie verhalten wir uns nun konkret, wenn Rechtsextreme im Betrieb für den Betriebsrat kandidieren oder wir mit ihnen zusammen im Betriebsrat sitzen? Unsere Praxis ist es gemäß unseres Standpunktes konsequent für die Interessen der KollegInnen gegen Co-Manager und Sozialpartnerschaftsapologeten in der eigenen Gewerkschaft und gegen die Geschäftsleitung zu kämpfen. In diesen Kampf müssen wir die rechten KollegInnen einbinden. Das heißt, das wir sie nicht ausgrenzen dürfen sondern mit ihnen diskutieren und streiten müssen. Daß wir uns mit DGB-Co-Managern zusammentun, um sie aus dem Betrieb zu entfernen, wäre absolut verfehlt! Da sie auch Ausgebeutete sind, müssen wir sie als solche verteidigen! Die Elsässers, Höckes, Hilburgers, Gaulands sind die eine Sorte Rechtsextreme und unsere ausgesprochenen Feinde – aber auf den Rechtsextremismus Reingefallene sind Verwirrte aus unserer Klasse, mit denen zusammen wir gegen die Klassenfeinde zu kämpfen haben...”
Hier wird es widersprüchlich und u.U. gefährlich. Wollen wir momentan davon absehen, daß die Interessen der KollegInnen teilweise durchaus durch das Co-Management befriedigt werden, glauben wir schon, grundsätzlich das Gleiche zu meinen. Doch wie zum Teufel will und kann mensch dann die rechten KollegInnen dabei einbinden? Diskutieren und streiten sollte selbstverständlich sein, doch hat dies Grenzen, die einer “Einbindung” im Wege stehen: Wenn sich die “Reingefallenen” und “Verwirrten” nicht zum Internationalismus bekehren lassen – Rassismus ist keine schützenswerte Meinungsäußerung! Schadet es nicht unserer Glaubwürdigkeit und Argumentationsstärke, wenn diejenigen, die Solidarität nur für Deutsche wollen, unsere unbedingte bekommen sollten???
Unkritische Interessenvertretung muss nicht bei den Nazis für “den” deutschen Arbeiter beginnen und bei den aktuellen, sagen wir mal, “Rechtspopulisten” enden, um bei blinder Verteidigung der Arbeitsplätze nationalistische Züge erkennen zu lassen…
Kündigungen sind dabei nicht unser Thema und Mittel. Hier gibt es für die Arbeitgeber eine klare Rechtsprechung und damit auch Rechtsmittel zu den Grenzen der Toleranz auch im Betrieb, denen Betriebsräte im Einzelfall nicht widersprechen müssen. Nicht in Frage kommt für uns eine Eigeninitiative der Betriebsräte – oder gar die Anmassung der Arbeitsgeberposiition, wie es IG-Metall-Chef Jörg Hofmann mit seinem “Wer hetzt, der fliegt” (s.o.) betreibt. Dies nicht zuletzt, weil es Jahrzehnte lang linke, oppositionelle AktivistInnen waren, die von dieser Selektion betroffen waren – und auch beim vorgeblichen Kampf gegen Rechts wieder verstärkt sein könnten (siehe analog dazu unsere Ablehnung neuer Zensur gegen Rechts, die sich sehr schnell auch gegen Links wenden kann im Dossier: Wie sich die Debatte um Fake News zum Problem für Presse- und Meinungsfreiheit entwickelt).
Für evtl. gekündigte Rechte gilt zudem, dass “raus aus dem Betrieb” nicht bedeutet, dass ihre Hetze innerhalb der Klasse der Lohnabhängigen aufhört, sondern lediglich den Standort wechselt – in einen anderen Betrieb oder ins Jobcenter, aber nun dazu womöglich noch als Märtyrer.
Diese Argumente dürfen allerding keinesfalls dazu verleiten, in falsch verstandener Solidarität der Lohnabhängigen, die rechten Hetzer schonend zu behandeln!
Also: linke, klassenkämpferische KollegInnen sollten offensiv gegen Rechte vorgehen, sie im Kollegenkreis in Debatten verwickeln, ihre Argumente hören und widerlegen, ihre spalterische und für die Belegschaft schädliche Unternehmernähe aufzeigen, ggf. ihre Dummheit und Dumpfheit offenlegen, sie notfalls lächerlich machen und isolieren, andere zum Mitkämpfen gegen Rechts gewinnen… Bleiben sie bei ihrem rechten Gequatsche, nicht locker lassen. Und: Nur wenn sie sich in Widersprüche verwickeln und Unsicherheit zeigen, ist vielleicht solidarische Rücksichtnahme angebracht, da sich jede/jeder mal verrennen kann…
Siehe dazu auch im LabourNet(Archiv)
- Rassismusfreie Zone? Gewerkschaften zwischen Antirassismuskampagnen und Standortsicherung
Artikel von Mag Wompel
– S. 64-72 des Buches “WiderstandsBewegungen. Antirassismus zwischen Alltag und Aktion”. Das von der Gruppe Interface herausgegebene Buch erschien Ende Juni 2005 bei Assoziation A
Der Beitrag AfD & Co: Nach den Köpfen nun auch in Betriebe und Betriebsräte?! erschien zuerst auf LabourNet Germany.